Was ist die adaptive Lambdaregelung?
- Mike Richter
- 16. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Warum adaptive Lambdaregelung?
Moderne Verbrennungsmotoren müssen heute präzise, effizient und emissionsarm arbeiten. Das geht nur, wenn das Luft-Kraftstoff-Gemisch in einem idealen Bereich (Lambda = 1) gehalten wird. Die adaptive Lambdaregelung sorgt dafür, dass der Motor unter allen Last- und Betriebsbedingungen das optimale Gemisch erhält – selbst bei Alterung oder Undichtigkeiten im System.
Für uns als Diagnosespezialist bedeutet das: Diese Regelung ist der Schlüssel zum Verständnis vieler Fehlerbilder – vom P0171 (System zu mager) bis zur Analyse von Spritverbrauch oder Leistungsproblemen.
Die adaptive Lambdaregelung setzt sich aus zwei Hauptkomponenten zusammen:
Kurzzeitgemischanpassung (engl. Short Term Fuel Trim – STFT)
Langzeitgemischanpassung (engl. Long Term Fuel Trim – LTFT)
Beide basieren auf den Rückmeldungen der Lambdasonden (meist Sprungsonde vor Kat, eventuell auch Breitbandsonden) und regeln die Einspritzzeit, um das Luft-Kraftstoff-Verhältnis kontinuierlich zu optimieren.
Kurzzeitgemischanpassung
(STFT – adaptive Lambdaadaption)
Funktion:
Die Kurzzeitkorrektur reagiert sofort auf Abweichungen im Lambdasignal.
Das Steuergerät verändert die Einspritzzeit, um das Gemisch direkt zu korrigieren.
Die Werte pendeln typischerweise zwischen +/- 1,6 % (herstellerabhängig).
Beispiel aus der Praxis:
Beim Gasgeben in einem Auto mit funktionierender Lambdaregelung kannst Du live im Diagnosetester Messwertblock beobachten, wie die STFT im Leerlauf z. B. bei +1,2 % liegt, beim Beschleunigen kurz Richtung –1,0 % abfällt, dann wieder pendelt. Das zeigt: Die Regelung greift schnell ein.
Wichtige Hinweise:
STFT ist flüchtig – sie wird beim Neustart des Motors nicht gespeichert.
Sprunghafte, stark schwankende STFT-Werte deuten auf Probleme vor der Sonde hin: z. B. Falschluft, defekte Einspritzdüse, AGR-Störung.
Langzeitgemischanpassung (LTFT – multiplikative Lambdaadaption)
Funktion:
Die LTFT passt das Einspritzkennfeld dauerhaft an, basierend auf Erfahrungen der STFT.
Das Steuergerät "lernt" über Zeit: z. B. dass der Motor im Leerlauf immer mager läuft.
Werte liegen meist im Bereich von ± 5–7 % (je nach Fahrzeughersteller und System).
Beispiel aus der Praxis:
Du hast ein Fahrzeug mit einem LTFT von +12 %. Das bedeutet: Das System muss ständig mehr Kraftstoff einspritzen. Ursache könnte Falschluft im Ansaugtrakt sein (z. B. gerissener Unterdruckschlauch). Die STFT pendelt jetzt wieder um die Null – aber nur, weil die LTFT "verschoben" wurde.


Wichtige Hinweise:
LTFT-Werte außerhalb von ±10 % gelten meist schon als grenzwertig.
Hoher positiver LTFT = Gemisch zu mager → z. B. undichte Ansaugung, alter LMM.
Hoher negativer LTFT = Gemisch zu fett → z. B. undichte Einspritzdüse, defekter Temperaturfühler (zu kalt → mehr Einspritzung).
Zusammenspiel der beiden Korrekturen
Bedingung | Kurzzeitkorrektur | Langzeitkorrektur | Bedeutung |
System in Ordnung | Pendelt um 0 % | stabil im Bereich ±5 % | Alles im grünen Bereich |
Undichtigkeit/Falschluft | STFT oft am Anschlag | LTFT steigt langfristig | Diagnose notwendig |
Kurzzeitkorrektur ständig bei +10 % | LTFT bisher bei 0 % | Noch keine dauerhafte Adaption erfolgt |
Beispiel:
Ein Golf VI 1.4 bei heißem Motor STFT +8 %, LTFT +10 %. Das System kompensiert eine Undichtigkeit. Du findest später, dass der Bremskraftverstärker-Unterdruckschlauch porös ist – klassische Falschluftquelle.
Was passiert bei Erreichen der Adaptionsgrenzen?
Wird der maximale Korrekturbereich (oft ±25 %) überschritten, kann das Steuergerät das Gemisch nicht mehr richtig regeln.
Dann setzt die Motorsteuerung einen Fehlercode, z. B. P0171 (System zu mager Bank 1).
Die Folge: Notlauf, erhöhter Verbrauch, Leistungsverlust, Kat-Schäden.
Diagnosehinweise & Tipps für die Werkstatt
Live-Diagnose fahren: Beobachte STFT & LTFT im Leerlauf, bei Teillast und unter Last.
Sichtprüfung: Undichtigkeiten im Ansaugtrakt, poröse Unterdruckschläuche, lose Schellen.
Sensoren prüfen: LMM, Kühlmitteltemperaturfühler, Lambdasonden – Werte plausibel?
Lernwerte löschen: Nach Reparatur STG zurücksetzen → Neue Adaption starten lassen.
Undichte Einspritzdüsen: Wenn LTFT zu negativ → Rücklaufmengen prüfen!
Warum ist das so wichtig?
Die adaptive Lambdaregelung ist nicht nur eine abstrakte Funktion im Steuergerät, sondern das Herzstück der Gemischregelung.
Fehlerbilder schneller und gezielter diagnostizieren
unnötiges Teiletauschen vermeiden
Fahrzeugprobleme physikalisch begründen
Fallbeispiel: P0171 – System zu mager (Bank 1)
Fahrzeug: VW Golf VI, Motorcode: BSE
Kraftstoffsystem: Saugrohreinspritzung, Regelsonde vor Kat (Sprungsonde)
Kundenbeanstandung
„Motorleuchte an, ruckelt im Leerlauf, erhöhter Verbrauch“
Motorleuchte (MIL) leuchtet dauerhaft.
Leerlauf unruhig.
Keine spürbare Leistungsverluste beim Fahren.
Fehler trat „plötzlich“ auf, keine Werkstattarbeiten im Vorfeld.
Fehlerauslese mit Diagnosetester
Fehlerspeicher ausgelesen (z. B. mit Autel, Texa, Thinkcar, VCDS, Bosch KTS, Hella Gutmann):
P0171 – System zu mager (Bank 1)→ Keine weiteren Fehler gespeichert.
Live-Datenanalyse (Lambdaregelung prüfen)
Motor im Leerlauf, Kühlmitteltemperatur bei 90 °C:
Parameter | Wert |
STFT (Kurzzeitkorrektur) | +15 % |
LTFT (Langzeitkorrektur) | +20 % |
Lambdasondenspannung | 0,1 – 0,8 V (springt) |
LMM-Wert | plausibel (ca. 3–4 g/s im Leerlauf) |
Motortemp. | 90 °C (realistisch) |
Interpretation:
STFT deutlich positiv → Steuergerät versucht, Kraftstoffmenge sofort zu erhöhen
LTFT ebenfalls hoch → Problem besteht dauerhaft
Sonde springt → Sensor funktioniert (System regelt!)
Gemisch also dauerhaft zu mager → Zusätzliche Luft im System
Sichtprüfung (Fehlersuche im Ansaugtrakt)
Schrittweise Prüfung auf Falschluftquellen:
Unterdruckschläuche: Sichtprüfung → ein Schlauch porös und lose an der Ansaugbrücke!
Bremskraftverstärkerleitung: mit Lecksuchspray abgesprüht → Leerlauf dreht plötzlich hoch
Ergebnis:
Poröser Unterdruckschlauch
Reparaturmaßnahmen
Porösen Unterdruckschlauch ersetzt.
System neu zusammengesetzt, alle Schellen geprüft.
Lernwerte löschen und Probefahrt
Nach Reparatur:→ Steuergerät auf Werkseinstellung zurückgesetzt (Adaptionswerte gelöscht)→ Motor gestartet → Anpasswerte bei 0 %
Probefahrt:
Stadtverkehr, Landstraße, kurze Volllast
Danach Rückkehr in den Leerlauf
Parameter | Neuer Wert |
STFT | pendelt zwischen –1 % und +1 % |
LTFT | stabil bei ca. +2 % |
Fehlerspeicher | leer |
Fehler beseitigt, Lambdaregelung arbeitet im Sollbereich.
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